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Eduheroes

Bildungsheldin in Action

Diese Woche würden wir euch gern Nadine Berneis von Deutschland sicher im Netz e.V. vorstellen, sie ist dort als Bereichsleiterin für Verbraucherfragen von jungen Menschen und Projektleiterin von DigiBitS tätig – Digitale Bildung trifft Schule.


Was macht für dich einen Bildungshelden aus? Ein*e Held*in ist ja eigentlich jemand, der etwas oder jemanden rettet. Ich denke, Bildung muss vor allem vor Stillstand "gerettet" werden. Das gilt für den eigenen Bildungsweg aber auch für das Bildungssystem im Gesamten. Ein*e Bildungsheld*in setzt sich dafür ein, mutig und neugierig neue Wege zu gehen - in Bezug auf die eigene Bildungsbiografie, einzelne Bildungsinstitutionen oder das gesamte Bildungssystem. Wo muss sich Bildung in der Zukunft hinbewegen? Bei dem Wort „hinbewegen“ sprechen wir ja von einer Weiterentwicklung. Manchmal frage ich mich aber: Wenn wir noch einmal ganz von vorne überlegen würden, wie unsere Kinder das lernen, was sie für ihr Leben brauchen, würden wir uns dann erneut für das Konstrukt "Schule" entscheiden, das wir heute kennen? Würden wir nicht eher unsere Kinder als aktiven Teil der Gesellschaft sehen und ihnen die Dinge in der Welt zeigen, anstatt abgekapselt in einem Klassenraum? Doch bleiben wir einmal bei dem Wort "hinbewegen" anstatt "neu kreieren": Insgesamt sehe ich viel Potential in regionalen aber auch internationalen Bildungsnetzwerken. Der Mikrokosmos Schule muss sich hierfür viel stärker öffnen. Es muss einen Austausch geben unter Schulen - auch bundeslandübergreifend! - sowie zwischen Schule und Zivilgesellschaft. Die Rolle der Lehrkraft muss sich weg von einem/einer Wissensvermittler*in bewegen und hin zu einem Lerncoach, der/die externe Ressourcen mit den Bedarfen im Klassenraum verknüpft und Kooperationen mit anderen Lernorten aufbaut. So können Expert*innen oder Zeitzeugen Lerninhalte anschaulicher und mit anderen Worten darstellen oder außerschulische Bildungseinrichtungen den Unterricht bereichern. Digitale Medien sind hierbei ein wunderbares Mittel, um die "Welt dort draußen" in den Klassenraum zu holen. So kann ich live per Videotelefonie mit Umweltschützern aus dem peruanischen Regenwald über Naturschutz sprechen, anstatt davon nur zu lesen. Darüber hinaus lernt man in jedem Business-Seminar: Multitasking führt zu schlechteren Lernerfolgen und Leistungen. Das muss auch in der Bildung gelebt werden! In der Schule der Zukunft gibt es daher keine Fächer mehr und Lernende müssen sich nicht alle 45 Minuten gedanklich auf etwas Neues einlassen. Sie lernen themen- und projektzentriert. Kontextualisiertes und selbstbestimmtes Lernen motiviert stärker und fördert ganzheitlich inhaltliches Wissen sowie Sozialkompetenzen. Durch Projektarbeit erleben Schüler*innen Selbstwirksamkeit und haben greifbare Ziele und Erfolge. Diese Art von Lernen bildet auch viel authentischer die Zusammenarbeit im späteren (Berufs-)leben ab. Dies gilt natürlich auch für Prüfungs- und Bewertungsformen, die es zu überdenken bzw. abzuschaffen gilt. Von meinem Arbeitgeber erhalte ich später auch ein ganz individuelles Zeugnis und keine Noten. Natürlich betrifft gute Bildung nicht nur das System Schule, sondern das gesamte lebenslange Lernen, das durch vielfältige (und oftmals digitale) Angebote gefördert werden kann. Was sind deiner Meinung nach Skills für die Zukunft? Ich finde, das "21st Century Skills Modell" wirklich zeitgemäß. Es deckt die vier großen "K" ab, also die Kompetenzfelder Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Insbesondere wird hier auch eine diverse Gesellschaft mitgedacht sowie ein kompetenter Umgang mit Medien und Daten. Es geht eben um Grundlagenkompetenzen, die sich immer wieder auf neue Herausforderungen übertragen lassen und junge Menschen dazu befähigen, sich selbstbestimmt weiterzuentwickeln. Eben solche Kompetenzen sind gefragt und werden gefördert, wenn es um Projektarbeit geht - und werden heutzutage immer wichtiger für ein erfülltes Berufsleben und eine gesellschaftliche Teilhabe. Als Lernbegleiter*in muss ich also die Interessen der Lernenden mit den Kompetenzen, die es zu fördern gilt, zusammenbringen. Was ist gute digitale Bildung? Gute digitale Bildung betrifft das Lernen mit Medien aber auch das Lernen über Medien. Und gute digitale Bildung vermittelt grundlegende, universelle Kompetenzen, die stets auf neue Dienste und Angebote übertragbar sind. Zum einen können Lernende und Lehrerende digitale Dienste zielgerichtet, selbstständig, verantwortungsbewusst und vor allem sicher einsetzen, um die oben genannten Ziele einer zeitgemäßen Bildung zu erreichen. Zum anderen werden die Technologien und der Umgang mit diesen selbst zum Unterrichtsgegenstand. Ziel digitaler Bildung sollte die Selbstbestimmung und Souveränität in einer digitalisierten Welt sein. Und: Gute digitale Bildung in der Schule nutzt oft Grauzonen. Ich bewundere Lehrkräfte für ihren Einfallsreichtum, wenn es darum geht, digitale Angebote mit der Klasse zu nutzen, obwohl es viele rechtliche Hürden dabei gibt oder sie gegen Entscheider*innen argumentieren müssen, denen selbst die Expertise fehlt. Aber vielleicht hatte hier die Pandemie etwas Gutes, indem viele Lehrende autarker und vor allem unbeobachteter als sonst Tools ausprobieren konnten und auch mussten. Aus der Not heraus haben viele Schulen jede Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Unterrichtsalltags genutzt und Bedenken wurden zweitrangig. Gute digitale Bildung lässt Innovation zu - ohne natürlich die Sicherheit zu gefährden. Außerdem folgt gute digitale Bildung dem Primat des Pädagogischen. Das heißt, nicht um jeden Preis nutzen Lernende neue Technologien, sondern eben nur dann, wenn diese Angebote die Schüler*innen in ihren Bildungsprozessen unterstützen. Wie kann man Kindern Medienkompetenz beibringen? Den Begriff "beibringen" finde ich etwas zu linear im Sinne von Frontalunterricht, aber wenn es darum geht, dass Kinder Medienkompetenzen entwickeln, dann kann dies wie bei allen anderen Kompetenzen gefördert werden: Durch kreatives Ausprobieren und Experimentieren. Offen für inhaltliches Wissen zu Schutz und Sicherheit sind Schüler*innen vor allem dann, wenn sie ihre eigene Betroffenheit und den persönlichen Mehrwert erkennen: Anknüpfungspunkte für eine individuelle Ansprache bieten Nutzungsgewohnheiten, Interessen und Bedarfe. Hierfür muss man im Gespräch mit den Lernenden bleiben, um neue Trends zu berücksichtigen. Und nicht zuletzt spielt die eigene Vorbildfunktion eine wichtige Rolle! Welche spannenden Projekte im Bildungsbereich kennst du? Begeistert hat mich die "Reise durch die Mediengalaxie", bei der ich einmal als Honorarkraft mitwirken durfte. Bei diesem Aktionstag bereiten Schüler*innen am Vormittag unter Anleitung von Medienpädagog*innen eine Rallye mit verschiedenen Aufgaben vor. Den Parcour meistern sie dann am Nachmittag gemeinsam mit einem Elternteil, Oma, Opa oder einem anderen Familienmitglied. Es ist ein wunderbares Beispiel für generationsübergreifendes Lernen. Die „Reise durch die Mediengalaxie“ wird im Auftrag der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) von Metaversa e. V. umgesetzt. In der interaktiven Online-Karte der „EduTechMap Berlin“, finden Lehrkräfte und Bildungsinteressierte zahlreiche Adressen und Informationen zu Akteuren der Medienbildung in der Hauptstadt. Ein echt tolles Angebot der Technologiestiftung Berlin! Natürlich möchte ich unser eigenes Projekt auch nennen :-) "DigiBitS - Digitale Bildung trifft Schule" ist ein Angebot von Deutschland sicher im Netz e.V. und vernetzt Kompetenzen und Ressourcen mit den Bedarfen von Schulen, um Lehrkräfte für die digitale Bildung in ihrem Unterricht zu befähigen und zu motivieren. Wir prüfen und bündeln nützliche Materialien und Angebote, entwickeln Unterrichtskonzepte und begleiten Partnerschulen durch Weiterbildungen und Vernetzung. Besonders viel Spaß macht die Arbeit in einem einem starken Netzwerk aus Partner*innen der Bildungspolitik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Wir verstehen Bildung als Gemeinschaftsaufgabe und leben das auch. Darauf bin ich wirklich stolz! Woran hakt es im deutschen Bildungssystem deiner Meinung nach? Innovationen werden oft durch unseren Bürokratismus ausgebremst. Ich bedaure es, dass gute Ideen meist erst dann umgesetzt werden (dürfen), wenn sie eigentlich schon wieder veraltet sind. So können auch im Zuge des Digitalpakts digitale Endgeräte erst beantragt werden, wenn die Schulen in ihren Medienkonzepten darlegen, was sie mit den Geräten machen wollen - ohne jemals diese Erfahrungen bisher gemacht zu haben. Wo bleiben Ausprobieren und Flexibilität? Auch bremsen leider viele (nicht alle!) Entscheidungsträger*innen Innovationen eher aus - oft aufgrund von fehlender Expertise und/oder aus Angst vor möglichen Risiken. Dies betrifft die Vergabe von Fördergeldern oder auch die Bewilligung von Maßnahmen. Vielleicht dazu ein konkretes Beispiel: Im Zuge des Lockdowns wollte der Leiter eines Familienzentrums diverse Bildungsangebote für Eltern und Kinder digital verwirklichen. Aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes wurden die Ideen von der Stadtverwaltung abgelehnt und das, obwohl das Datenschutzkonzept wohl durchdacht war und die Sorgen unbegründet waren, wie sich hinterher herausstellte. Ich vermisse zu oft den Mut, innovative Ideen wirklich zu leben und Veränderungsprozesse anzugehen. Das habe ich auch selbst als Lernende während meines Studiums der Bildungswissenschaft erlebt: In der Vorlesung "Bildungssysteme" wurden wir für innovative Lern- und Prüfungsformen begeistert, lernten Beispiele aus anderen Ländern kennen und entwickelten eigene Ideen. Wie sah unsere Lernerfolgskontrolle aus? Richtig, eine Frage-Antwort-Klausur über auswendig gelernte Inhalte von 12 Monaten, auf ein Blatt Papier gebracht innerhalb von 2 Stunden. Fragt bitte nicht, ob ich mich noch an irgendetwas von den Inhalten erinnere... Im Gegensatz dazu kann ich euch sicher von mindestens 10 Präsentationen eine Zusammenfassung geben, die ich im Laufe meines Studiums gehalten habe. Und als letztes noch: was sind deine Superkräfte? Ich bin stolz darauf, mir meine kindliche Neugier bewahrt zu haben. Große Unterstützer bei meiner Arbeit sind auch mein Optimismus und Enthusiasmus. Außerdem bin ich eine echt gute Netzwerkerin und freue mich, wenn ich Menschen mit unterschiedlichen Bedarfen und Kompetenzen zusammenbringen kann, damit sie sich gegenseitig bereichern. Ich denke, das trägt auf jeden Fall dazu bei, das Bildungssystem vor dem Stillstand zu bewahren.






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